Ravensburg / sz - Ein riesiges Industriegelände liegt im Ravensburger Westen brach, nachdem Voith Paper die Produktion von Papiermaschinen jenseits der Bahnlinien aufgegeben hat. So traurig der Abbau von 170 Arbeitsplätzen aus Sicht von Oberbürgermeister Daniel Rapp auch ist, birgt die Entwicklung eine riesige Chance: Die Stadt könnte die alten Industrieflächen kaufen und dort ein ganz neues Stadtviertel entwickeln.
Diese Idee wurde eher durch Zufall am Ende der jüngsten Gemeinderatssitzung publik. Rapp sagte, dass die Produktion von Maschinen in Ravensburg mittlerweile eingestellt worden sei, am Standort arbeiteten noch 300 Menschen in Produktmanagement, Recycling und anderen Sparten. Für diese Mitarbeiter sei aber ein Bürogebäude ausreichend, die riesigen Hallen und Freiflächen würden nicht mehr benötigt. Bis Ende 2016 seien sie noch kurzfristig an kleinere Firmen vermietet. Danach könnten sie verkauft werden.
Areal ist 16 Fußballfelder groß
Laut Oberbürgermeister Rapp handelt es sich um 80000 Quadratmeter, was der Größe von 16 Fußballfeldern entspricht. "Das ist eine städtebauliche Chance, die uns die nächsten Jahre nachhaltig beschäftigen könnte", sagte Rapp auf Nachfrage der "Schwäbischen Zeitung". "Eines der größten Projekte der kommenden Jahrzehnte."
Eine mitteleuropäische Stadt entwickle sich in Ringen um ein Zentrum. Nachdem Oberstadt, Unterstadt und Bahnstadt weitgehend saniert beziehungsweise aufgewertet wurden, sei der Schritt über die Bahngleise und die Schussen nur logisch. Rapp betont, dass er nicht Kapital aus dem Verlust von Arbeitsplätzen schlagen wolle. Aber es wäre seiner Meinung nach auch dumm, die Chance, die die freiwerdenden Flächen bieten, nicht zu ergreifen.
Gemeinsam mit Baubürgermeister Dirk Bastin will er Visionen entwickeln, wie anstelle des ehemaligen Industriegebietes ein hochwertiges Gewerbegebiet entstehen könnte, mit einer gleichzeitigen Erschließung der Schussen als Naturraum. Zu den Rändern hin, in Richtung Deisenfang und Grünlandsiedlung, könnte zudem neuer Wohnraum erschlossen werden. "Wohnen am Fluss", schwärmt Rapp. "Momentan ist das noch der Hinterhof von Ravensburg, aber das wird sich ändern, wenn wir die Flächen konvertiert haben."
Vielversprechende Gespräche
Das wiederum hänge nicht nur von den Visionen ab, "sondern auch davon, dass wir die Flächen tatsächlich bekommen". Erste Gespräche mit Voith seien aber sehr vielversprechend verlaufen. Über etwaige Kaufpreise sei dabei noch nicht gesprochen worden. Das Gelände ist allerdings so groß, dass es einige Millionen Euro kosten dürfte. Zum Vergleich: Ein erschlossener Quadratmeter im Gewerbegebiet Erlen wird für 98 Euro verkauft. Hochgerechnet auf die fragliche Fläche von acht Hektar wären das etwa acht Millionen Euro. "Aber es ist ja nicht gesagt, dass wir das Areal selbst kaufen und dann wieder verkaufen, eventuell geht das auch gleich mit Dritten."
Hochwertiges Gewerbe, Hotellerie, Gastronomie, Wohnen am Schussenstrand, ein Freizeitgebiet am Fluss – "wir dürfen als Stadt auch eine Fläche überplanen, die uns noch nicht gehört", erklärt Rapp. Rechtliche Probleme bei der Umwidmung vom Industrie- zum Gewerbegebiet seien nicht zu erwarten, da in Industriegebieten mehr Störungen zulässig seien als in Gewerbegebieten, ob nun durch Lärm oder Abgase.
Rapp will seine Vision gemeinsam mit Dirk Bastin möglichst schnell weiterentwickeln, so dass sich der Gemeinderat oder dessen Ausschüsse bis Ende des Jahres erstmals konkret damit beschäftigen können.
Der Mutterkonzern von Voith mit Sitz in Heidenheim hält sich allerdings noch bedeckt. Auf Anfrage kam nur die wenig aussagekräftige Auskunft: "Voith prüft Optionen für die weitere Verwendung der nicht weiter benötigten Flächen des Voith-Geländes in Ravensburg. Wir befinden uns derzeit in Gesprächen und Planungen und werden Sie umgehend informieren, wenn konkrete Ergebnisse vorliegen."