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Zehntscheuer feiert sich, Dada und Rhythmus

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Ravensburg / sz - Die drei Herren des Bremer „Theatre du Pain“ sind eine Wucht. Die fünf schottischen Folk-Musiker der Band „Rura“ sind eine ebensolche Wucht. Weshalb sie am Samstagabend in der Zehntscheuer den Oberschwäbischen Kleinkunstpreis „Ravensburger Kupferle 2014“ erhalten haben. Beide imponierten den Zuschauern durch ihre unvergesslichen Auftritte in der vergangenen Spielzeit und auch an diesem Abend wieder.

Es ist das 26. Mal, dass der Preis verliehen wird. Doch es ist nicht allein der Preis, so Michael Borrasch in seiner Begrüßung, sondern es ist auch eine Feier, die sich die Zehntscheuer einmal im Jahr selber gönnt. Dementsprechend kurz und bündig hielten sich die Reden und die Preisvergaben, denn der Genuss der Auftritte im ausverkauften Saal sollte im Mittelpunkt stehen.

„Theatre du Pain“ ist Dada

Das Theatre du Pain würdigte die Jury für ihren einzigartigen Mix aus philosophischen Dada-Szenen, sentimentalen Liedern und abgründigem Witz. Für ihren um die Ecke gedachten Humor aus Sprech-, Aktions- und Musiktheater, womit sie dem Zuschauer gnadenlos den Spiegel vorhalten. Ihre ausgezeichnete „Revoluzzion zum Selbermachen“ feierte am Abend ein Comeback mit Mateng Pollkläsener, dessen stechend bohrender Blick unvergesslich bleibt, mit Wolfgang Suchner und seiner absurden Verwandlung in den wuschelköpfigen Steinzeitmenschen „Ugoruck Goruk-Goruk“, und mit Hans König, dessen umgarnend boshafte Rhetorik zum Dahinschmelzen ist.

Ihre Lieder träufeln dem Gehör unverschämt lauschige Texte ein, die von leeren Tagen schwärmen, an denen es keine Bedrohung gab. „Treibt es nicht so arg mit der Euphorie“, heißt ihr Gebot der Stunde. Das Trio ist um keinen neuen Einfall verlegen, wenn Suchner und König sich die Handpuppen schnappen, stoisch auf ihren Stühlen sitzen und sich von den Fäusten der kleinen Kerlchen das Gesicht ramponieren lassen. Das ist Dada pur.

„Rura“ ist Rhythmus

Schottischen Folk auf den neuesten musikalischen Stand gebracht heißt Rhythmus erleben mit „Rura“. Jack Smedley, Adam Holmes, David Foley, Steven Blake und Adam Brown aus Glasgow gehören zu den gefragtesten Newcomeracts in Schottland.

Für ihre moderne und virtuose Darbietung überreichte Jörg Eberspächer das Kupferle. In eine neue Dimension würde das Quintett die traditionellen Klänge seiner Heimat führen und dabei eine frische Brise entfachen, befand die Jury. Von ihrer beeindruckenden Vielseitigkeit sowie mitreißenden Intensität gab „Rura“ eine satte Kostprobe.

Wenn Steven Blake seinen Dudelsack voll mit Luft füllt, entgleiten den Pipes ungeheuer imposante Töne, die sich mit Jack Smedleys Fiddle, Adam Browns Gitarre und David Foleys Bodhran zu einem heißen Sound verflechten, welcher die alten schottischen Lieder auf Touren bringt. Diese jungen Musiker sprühen vor Spiellust und auch was ihren Humor angeht, überzeugten sie am Abend.

Hatte doch ihr Singersongwriter Adam Holmes die längste Anreise gehabt und war noch „very sleepy“, witzelte Smedley, der im Duo mit Brown überragende Tempi inszenierte. Bodhran-Spieler Foley intonierte an der Handtrommel mittels Stick einen akustischen Drive, der ein ganzes Bassdrum-Set zum Klingen bringt.

Bei aller Modernität bleiben die Melodien uralter Volksweisen hörbar. Was Ruras Vielseitigkeit in den Bereichen Pop und Rock ausmacht, demonstrierte Adam Holmes’ ebenso kraftvolle wie feinfühlige Stimme in sinnlichen Balladen einer „Be my Queen“.


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