Ravensburg / sz - Ravensburg - Jetzt wird Ravensburgs zweitgrößte Ortschaft Taldorf auch für die sogenannte "Anschlussunterbringung" von Asylbewerbern in die Pflicht genommen. Im Frühjahr 2016 werden 24 Personen untergebracht, und zwar in einem Wohnmodul, das hinter dem Bavendorfer Rathaus aufgebaut wird. Nachbarn protestieren heftig dagegen.
Im Beisein von zahlreichen Betroffenen hat sich der Ortschaftsrat am Dienstag einstimmig für die Schaffung der Unterkunft direkt hinter dem Rathaus ausgesprochen, wobei mehrere Räte auf die Lage in Oberzell hingewiesen hatten, wo das Zusammenleben mit den 24 dort untergebrachten Asylbewerbern gut organisiert sei.
In einem Schreiben an Ortsvorsteher Vinzenz Höss haben 14 künftige Nachbarn ihre Kritik am Vorhaben der Verwaltung geäußert und dabei mit deutlichen Worten nicht gespart. Das Argument, die Unterkunft sei direkt neben dem Rathaus bestens aufgehoben, "ist unserer Ansicht nach mehr als Schwachsinn". Was nütze den Asylbewerbern das Rathaus direkt nebenan, heißt es ferner.
Man sei sehr enttäuscht über die Vorgehensweise und die Entscheidungen des Ortschaftsrats und könne nicht verstehen, "dass selbst in so einer kleinen Gemeinde einfach über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird" (eine Informationsveranstaltung am Mittwoch vergangener Woche war, so die Betroffenen, "erst wenige Stunden" zuvor angekündigt worden).
"Wer garantiert uns den Werterhalt unserer Häuser;", heißt eine der Fragen an Ortsvorsteher und Ortschaftsrat. Klar sei zwar, dass das Grundstück beim Rathaus nicht ewig unbebaut bleiben könne, "aber so etwas ist für uns unzumutbar". Im Schreiben der Anwohner wird auch darauf verwiesen, "dass im letzten Jahr für teures Geld ein Büro beauftragt wurde, um eine neue Dorfmitte beziehungsweise die Verschönerung der Dorfmitte zu planen. Bürger wurden in die Planung mit einbezogen, Workshops zur Mitgestaltung wurden durchgeführt, ist dieses Projekt schon wieder vergessen?"
Warum werde nicht gleich an die Zukunft gedacht, heißt es, und ein Standort gewählt, an dem die Unterkunft, sollte sie jemals wieder leer stehen, anderweitig, beispielsweise von Vereinen und Jugendgruppen, genutzt werden könne. Anschließend schreiben die betroffenen Anwohner: "Es ist einfach, einem Vorhaben wie diesem zuzustimmen, wenn es einen nicht direkt betrifft. Würde unsere Situation Sie, Herr Höss, oder ein Mitglied des Ortschaftsrats direkt betreffen, wäre die Entscheidung mit größter Wahrscheinlichkeit anders ausgefallen."
Als "unbedachte Hetze" bezeichnete Ortschaftsrat Jürgen Lang (Kommunalpolitischer Arbeitskreis Taldorf, KAT) das Schreiben der Anwohner. "Keiner verlässt sein Haus ohne Not, sondern wenn er ausgebombt wird" sagte Lang und appellierte an die Betroffenen, die Neuankömmlinge doch erst einmal kennen zu lernen. Das Ratsmitglied verwies auf seine persönliche Erfahrung am Beispiel Oberzell. Seine anfängliche Distanz zu den Flüchtlingen habe sich durch Begegnungen mit ihnen verringert.
Zu Beginn der Debatte hatte Ortsvorsteher Vinzenz Höss Verständnis für den Brief der Anwohner bekundet, jedoch an die Erfahrungen in Oberzell erinnert. Auch dort habe es Ängste gegeben, doch habe sich das Engagement zahlreicher Bürger zum Erfolgsmodell entwickelt. In Oberzell sind 24 Asylbewerber aus Gambia in sogenannter "Erstaufnahme" untergebracht, für die der Landkreis zuständig ist. Für die Anschlussunterbringung, die längere Zeit dauern kann, zeichnen sich Städte und Gemeinden verantwortlich.
Schreiben als Ausdruck der Angst
Zu einem vernünftigen Umgang mit der neuen Aufgabe riet Manfred Büchele (CDU). "Dass es geht, haben wir in Oberzell gezeigt", sagte Büchele, der die Angst der Betroffenen in Bavendorf um den Wert ihrer Häuser unbegründet nannte und mit Blick auf die fremde Kultur, die mit den Neuankömmlingen in Bavendorf einziehe, dazu aufrief, den Gedanken der Leitkultur nicht in den Vordergrund zu stellen.
Respekt voreinander sei Grund für den guten Umgang der Einheimischen mit den Asylbewerbern in Oberzell, sagte Markus Petretti (CDU). Auf den Brief der Anwohner eingehend, sagte Gerhard Rothenhäusler (KAT): "Wenn Angst vor fremden Kulturen da ist, ist jeder Standort falsch." Rothenhäusler riet zur Offenheit den Asylbewerbern gegenüber und meinte abschließend: "Geben wir doch uns und denen eine Chance." Zuvor hatte Joseph Bentele (CDU) das Schreiben der Anwohner nicht als Hetze, sondern als "Ausdruck der Angst" bezeichnet.
Wer im Frühjahr in Bavendorf ankommen wird, ob Einzelpersonen oder Familien, sei derzeit noch nicht bekannt, sagte Ortsvorsteher Höss. Der Standort beim Rathaus erfüllt den Aussagen der Verwaltung zufolge die nötigen Voraussetzungen für die Schaffung einer Unterkunft für Asylbewerber: dezentrales, erschließbares, mit Baurecht versehenes und im Eigentum der Stadt befindliches Grundstück. Seitens der Verwaltung hieß es, das vorgesehene Projekt beim Rathaus beeinträchtige das Modell neue Ortsmitte in keinster Weise.