Ravensburg / sz - Hinter dem Einfamilienhaus in einer Gemeinde im Landkreis Ravensburg ist ein kleiner Garten. Ein Mädchen läuft lachend an der Schaukel vorbei, hüpft ein paar Stufen hinauf und steht in der Küche. Ihre Mutter, Simone Müller(Name von der Redaktion geändert), gibt ihr etwas zu trinken. Dann springt das Kind wieder in den Garten. Müller wohnt hier mit ihren drei Kindern. Doch die Idylle trügt. Das Haus ist längst verkauft. Seit Monaten ist die alleinerziehende Mutter auf der Suche nach einer Wohnung in Ravensburg. Gefunden hat sie bisher nichts. Jetzt drängt die Zeit. Die neuen Hauseigentümer wollen endlich einziehen.
„Ich bin Ravensburgerin. Das ist unsere Heimat“, sagt Simone Müller. Die Kinder gehen hier in den Kindergarten und zur Schule. Vor einigen Jahren zog sie mit ihrer Familie in das Haus aufs Land. Nach der Trennung von ihrem Mann konnte sie es sich jedoch nicht mehr leisten. Für das Pendeln um die Kinder nach Ravensburg zu bringen fehlt ihr jetzt die Zeit und das Geld. Im Frühjahr entschloss sie sich zu verkaufen. Geld bleibt ihr davon jedoch nicht. Es geht für das Darlehen und die Strafzinsen für die vorzeitige Kündigung des Darlehens drauf. Schulden bleiben immerhin keine.
Wieviele Bewerbungen für Wohnungen sie seither abgeschickt und wie oft sie Anzeigen geschaltet hat, könne sie schon nicht mehr zählen. „Sind Sie wirklich alleinerziehend? Dann können Sie sich den Weg zur Besichtigung sparen“ oder: „Wir haben uns für ein verheiratetes Paar entschieden.“ Solche Sätze hört Müller immer wieder. „Man wird schon abgestempelt“, sagt Müller. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Kinder sind wohl für viele ein Ballast. Ich kann es nicht nachvollziehen“, sagt Müller.
Weil sie sich um ihre drei Kinder kümmert, hat sie keine Zeit für eine Vollzeitstelle. Sie hat einen Minijob und bekommt zudem Arbeitslosengeld II. „Ich kann nicht viel zahlen“, sagt Müller. Zwar bekomme sie Wohngeld, aber für die 560 Euro kalt sei es unmöglich, eine Vierzimmerwohnung in Ravensburg zu finden. „Ich habe die Erziehung, den Haushalt und meinen Job im Griff. Aber dann bekommt man von fremden Leuten das Gefühl, man ist asozial“, so Müller.
Die Geschichte von Simone Müller und ihren Kindern ist kein Einzelfall. Halil Selale und sein siebenjähriger Sohn suchen seit anderthalb Jahren eine neue Wohnung in Ravensburg. Nach der Trennung von seiner Frau gab er seinen Job auf, um sich um das Kind zu kümmern. Die Wohnung kann er sich seitdem nicht mehr leisten. Immer wieder konnte er die Miete nicht zahlen. Jetzt gibt es einen Räumungstermin. Am 4. November muss er aus der Wohnung raus. Er fürchtet nun, in einer Obdachlosenunterkunft wohnen zu müssen. „Das ist einem Kind nicht zumutbar“, sagt Selale. Er habe zwar das Recht, in eine Sozialwohnung einzuziehen, aber die Warteliste für eine solche Wohnung ist lang.
Simone Müller hingegen dürfe gar nicht erst auf die Warteliste der Sozialwohnungen in Ravensburg, sagt sie. Sie gelte nur für Menschen, die schon in Ravensburg wohnen. In der Gemeinde sieht sie hingegen keine Zukunft. Das Pendeln gehe nicht mehr. Außerdem habe sie in Ravensburg eine gute Chance, einen Job zu finden wenn ihre Kinder etwas älter sind.
Im März muss Müller mit ihren Kindern das Haus in der Gemeinde endgültig verlassen. Bis dahin muss sie eine neue Wohnung haben. „Es muss klappen. Nicht mal für mich, für meine Kinder.“