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Das Gehabe eines barocken Kreisfürsten war ihm fremd

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Ravensburg / sz - „Schwabe zu sein ist ein Verdienst, Oberschwabe zu sein, eine Gnade“: Guntram Blaser war es 21 Jahre lang vergönnt, diese Gnade an führender Stelle auszukosten. Der Alt-Landrat und promovierte Jurist, der von 1978 bis 1999 den Landkreis Ravensburg regierte, griff bei Reden gern tief in die Zitatenkiste und prägte dabei auch die Spruchweisheit vom paradiesischen Oberschwaben. Heute, am 15. Oktober 2014, feiert Blaser seinen 80. Geburtstag.

Auch wenn ihn körperliche Gebrechen plagen, geistig wach und rege ist Guntram Blaser wie eh und je. Und auch der knitze Humor ist ihm nicht abhanden gekommen. Damit gab der stets leise und zurückhaltend auftretende Grandseigneur seinen offiziellen Auftritten und der Leitung unzähliger Kreistagssitzungen eine beschwingte Note. Formal war er zwar ein mächtiger Kommunalpolitiker, stand er doch dem erst 1973 aus den Altkreisen Wangen und Ravensburg fusionierten zweitgrößten Flächenlandkreis Baden-Württembergs vor, doch das Gehabe eines barocken Kreisfürsten war ihm fremd. Gelegentlich wurde er gar als Mimose bezeichnet, denn wenn ihm die Kreistagsmehrheit nicht folgte und gar die Erhöhung der Kreisumlage verweigerte, dann konnte er auch nachhaltig verstimmt und sauer reagieren.

Der „grüne Landrat“

Kultur und Natur: Das waren und sind wohl immer noch Blasers Leitplanken. Früh, noch bevor der Geburt der Grünen-Partei, galt er als „grüner Landrat“. Der Erhalt des Wurzacher und Pfrunger Rieds, der Lobpreis auf die Schönheit der oberschwäbischen Kulturlandschaft, der Einsatz für regionale, extensive Landwirtschaft waren ihm Herzensanliegen. Gescheitert ist er freilich mit dem Versuch, die Moränenlandschaft zwischen Waldburg, Bodnegg und Amtzell großflächig als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Auch auf kulturellem Gebiet war der belesene Freund der Musen den heimatlichen Schätzen verbunden. Ironisch bezeichnete er sich gelegentlich selbst als „Schlossherr“, verhinderte er doch, dass Schloss Achberg als Immobilie verscherbelt, sondern als Kulturkleinod in den Besitz des Kreises überging.

Jedoch waren in seiner langen Amtszeit, während dreier Legislaturperioden, weitaus profanere Angelegenheiten zu regeln als beispielsweise der Einsatz für den Erhalt sakraler Kulturgüter (dem sogenannten Heiligenverein stand Blaser lange vor). Müll und Krankenhäuser, der Ausbau des beruflichen Schulwesens, Finanzprobleme, ausufernder Sozialetat: Viele Themen, die noch heute die Agenda der Kreispolitik bestimmen, waren schon in Blasers Landrats-Zeiten aktuell und bereiteten Kopfzerbrechen. Harte Tage bescherten ihm beispielsweise die Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl Ende April 1986, als der radioaktive Fallout auf oberschwäbischen Wiesen und Wäldern niederging und messbar war und der Landrat sich des Vorwurfs erwehren musste, einfach auf Tauchstation gegangen zu sein.

Berufliches Traumziel erreicht

Bis zum Schluss, nachdem er am 17. März 1994 zum dritten Mal zum Landrat des Kreises Ravensburg gewählt worden war, blieb Blaser dabei: Als „Knecht“ der oberschwäbischen Raumschaft habe er sein berufliches Traumziel erreicht. Und irgendwie hat der Lebenslauf des am 15. Oktober 1934 in Bad Schussenried geborenen Guntram Blaser zielstrebig auf den Ravensburger Kreisthron geführt. Sein Vater, Anton Blaser, war Bürgermeister in Bodnegg. Zusammen mit einem Bruder und zwei Schwestern erlebte er eine glückliche Kindheit, war Schüler in oberschwäbischen Zwergschulen, Bahnpendler zur Oberrealschule in Ravensburg, Student der Rechtswissenschaften in Tübingen, Mitglied einer katholischen Studentenverbindung.

1962 promovierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München und trat in den baden-württembergischen Staatsdienst. Nach Gastspielen an den Landratsämtern in Bruchsal und Rottweil war er im Innen- und im Staatsministerium in Stuttgart tätig. Von Manfred Rommel wurde er dabei nachhaltig geprägt: einerseits ein liberaler Freund der Musen, andererseits ein durchaus (wert)konservativer Parteigänger. Ehefrau Helga, die bei Blasers Amtseinsetzung 1978 großstädtische Eleganz in die oberschwäbische Provinz brachte, und die beiden längst erwachsenen Kinder Christoph und Katharina haben sicher oft zurückstecken müssen. Denn neben den Landratspflichten war Blaser, wie sein Nachfolger Kurt Widmaier, auch Verwaltungsratsvorsitzender der Kreissparkasse Ravensburg und Aufsichtsratsvorsitzender der EVS, später EnBW.

Manche seiner Verpflichtungen waren ihm Herzensanliegen, die er auch im Ruhestand beibehielt, so als Ehrenvorsitzender im Verein der Freunde der PH Weingarten oder im Kuratorium der Gesellschaft Oberschwaben. Ein wacher Beobachter des (kommunal)politischen Geschehens ist er sicher geblieben, auch wenn er trotz des in Ravensburg beibehaltenen Wohnsitzes keinerlei öffentliche Auftritte zelebriert. Und trotz aller krankheitsbedingter Beschwernisse ist das Reisen weiterhin seine Leidenschaft.


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