Ravensburg / sz - „Schneiden und Stoppen – Schluss mit häuslicher Gewalt“ heißt eine Initiative, die im Kreis Ravensburg nun gestartet wird. Obermeisterin Conny Losert, Friseurinnung Ravensburg, Diana E. Raedler, Dezernentin des Landratsamts und Franz Moosherr, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, haben das Projekt gegen häusliche Gewalt bei einer Pressekonferenz im Landratsamt vorgestellt. Ein Flyer mit Informationen soll an 85 Friseurbetriebe verteilt werden und an entsprechenden Stellen ausliegen.
Das blaue Auge fiel ihr auf, erinnert sich Conny Losert. Die Kundin sagte, sie sei hingefallen. Die Friseurin hatte Zweifel. Als die Frau zum zweiten Mal mit einer Verletzung im Gesicht kam und bat, sie zu kaschieren, fasste Conny Losert sich ein Herz und fragte nach. Die Kundin gestand, dass ihr Mann sie schlage und entschuldigte ihn im selben Atemzug, er habe ja gerade so viel am Hals. Gewalttaten zwischen Menschen, die in einem Haushalt zusammenleben, sind für Täter und Opfer, für Frauen, Männer und Kinder mit Scham, Angst und Schuldgefühlen verbunden. Das Thema wird deshalb oft verdrängt und verharmlost.
In der mit Körperkontakt verbundenen, entspannten und nicht selten vertrauensvollen Atmosphäre eines Friseursalons kann auch häusliche Gewalt zur Sprache kommen. Neben körperlicher und sexueller Gewalt, geht es dabei auch um psychische und wirtschaftliche Gewalt, zählte Landratsamtsdezernentin Diana E. Raedler die verschiedene Formen häuslicher Gewalt auf. Auch wenn es heute fast unvorstellbar sei, gebe es noch immer traditionell orientierte Männer, die ihre Ehefrauen daran hinderten zu arbeiten oder selbstständig über finanzielle Mittel zu verfügen.
Kinder sind die Leidtragenden
„Ich weiß nicht, wohin ich soll!“ hört Friseurobermeisterin Losert betroffene Frauen sagen. Sie warteten lieber, „bis die Kinder groß sind“, statt zu handeln. Währenddessen lernen die Kinder aber Gewalt als Mittel der Konfliktlösung kennen und verinnerlichen das Muster, ahmen es nach. Der Flyer „nicht mit mir! – Schluss mit häuslicher Gewalt“ zeigt Hilfen auf, Handlungsmöglichkeiten und Rechte. Jeder hat ein „Recht auf körperliche Unversehrtheit, eigene Gedanken und Meinungen, auf sexuelle Selbstbestimmung, darauf, eine Beziehung zu verlassen und eigene Wege zu gehen“, ist als Leitmotiv zu lesen.
Unter den Opfern seien auch Männer, die körperlicher Gewalt, Drohung und Erpressungen ausgesetzt seien, gibt Franz Moosherr, Kreishandwerkerschaft, zu bedenken. Ehefrauen drohten: „Ich bringe mich um!“ oder „Du siehst die Kinder nie wieder!“ Frauen und Männer legten nahezu gleich häufig ein aggressives Verhalten an den Tag, zitiert Wikipedia den Soziologen und Kriminologen Michael Bock. „Wahrnehmbare Verletzungen“ seien jedoch bei weiblichen Opfern häufiger (62 Prozent) als bei männlichen (38 Prozent).
„Wir verfolgen mit der Initiative drei Ziele“, sagt Geschäftsführer Moosherr. „Wir möchten informieren, ein Zeichen gegen Gewalt setzen und die Öffentlichkeit sensibilisieren.“ Die Friseurinnung Calw, Roswitha Keppler, habe als Vorreiter erfahren, dass viele ermutigt werden, die Gewaltspirale zu durchbrechen. „Wir hoffen auf ebenso gute Erfahrungen“, sagt Franz Moosherr.
An oberster Stelle der Hilfsangebote steht das Frauen- und Kinderschutzhaus, Telefon 0751/16365. Ebenso 24 Stunden erreichbar ist die Telefonseelsorge Oberschwaben-Allgäu-Bodensee, Telefon 0800/1110111 und 0800/1110222.