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Prozessauftakt: Angeklagte gibt Brandstiftungen zu

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Ravensburg / sz - Brände gelegt, Fußfessel entfernt und untergetaucht: Schon wenige Wochen nach ihrer Freilassung aus der Sicherungsverwahrung im November 2013 soll eine 48-Jährige aus dem Landkreis Ravensburg wieder straffällig geworden sein. Seit Montag muss sich die Frau vor der zweiten großen Strafkammer des Ravensburger Landgerichts unter anderem für das Feuer in einem Baienfurter Supermarkt verantworten. Über eine Erklärung, die ihr Verteidiger am Montag verlesen hat, räumt sie die Tatvorwürfe weitestgehend ein. Fragen zu den Brandstiftungen beantwortet sie jedoch nicht.

Es war die Nacht auf den 30. Dezember 2013, als ein Supermarkt in Baienfurt brannte. Laut Staatsanwaltschaft soll die Beschuldigte Packwaren mit Öl angezündet und mit Stroh befeuert haben. Die Flammen breiteten sich schnell aus und griffen auf die Fassade und das Dach über. Es entstand ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro, ein Mensch wurde leicht verletzt. Noch am selben Tag nahm die Polizei die Frau fest. Die 48-Jährige war der Justiz bekannt. Bis zu ihrer Freilassung war sie die einzige weibliche Sicherungsverwahrte in Baden-Württemberg.

Durch ihre Vernehmungen habe die Polizei der Angeklagten weitere Brände im Dezember 2013 zuordnen können, so ein Zeuge am Montag. Auf einige habe die Angeklagte die Polizisten selbst hingewiesen. Sie seien der Polizei nicht bekannt gewesen, da sie nicht angezeigt wurden. So muss sich die 48-Jährige nun neben der Brandstiftung in Baienfurt auch für eine versuchte Brandstiftung und mehrere Sachbeschädigungen, die durch Feuer in Mülleimern und Papiertonnen in Weingarten und Baienfurt entstanden, verantworten. Außerdem wird ihr vorgeworfen, ein Fahrrad in Weingarten gestohlen, Polizisten beleidigt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben. Zudem habe die Frau sich nach ihrer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd nicht an ihre Weisungen der Führungsaufsicht gehalten. Sprich: Die elektronische Fußfessel, die die Angeklagte tragen musste, habe sie entfernt und sei untergetaucht. Diese elektronische Kontrolle übermittelt den Standort des Trägers und sollte der Vermeidung von weiteren Raub- und Branddelikten der Frau dienen.

Schon zuvor habe es Probleme mit der Fußfessel gegeben, so die Angeklagte. Ihr sei „nicht richtig erklärt worden, wie ich die aufladen kann.“ Sie habe das Gerät daher „nicht in den Griff“ bekommen. Da sie die Akkulaufzeit nicht einschätzen konnte, sei die Fußfessel immer wieder ausgefallen. Anrufe und Besuche der Polizei folgten. Sie habe Panik und Angst vor einem erneuten Gefängnisaufenthalt bekommen und in einer Kurzschlussreaktion entschieden: „Jetzt gehst du“. Mit einem Teppichmesser habe sie die Fußfessel entfernt und sei mit dem Zug ins bayerische Mindelheim gefahren, so die Angeklagte. Zurück ins Schussental sei sie gelaufen. „Ich war 14 Jahre in Haft. Ich hatte einen Trieb zu laufen. Die Tage unterwegs waren sehr befreiend“, sagt die 48-Jährige.

Etliche Vorstrafen

Die Frau sitzt ruhig auf der Anklagebank, immer wieder lächelt sie. Über einem schwarzen T-Shirt trägt sie einen dunkelroten Pullover. Die Haare trägt sie millimeterkurz rasiert. Als der Vorsitzende Richter Stefan Maier ein früheres Urteil vorliest, lacht sie ab und zu. Minutenlang trägt Maier die mehr als 30 Brandstiftungen aus den 90er-Jahren vor, für die die Angeklagte eine Gesamtstrafe von drei Jahren erhielt. Wieder in Freiheit, nahm sie in der Psychiatrie in Weißenau eine Frau als Geisel und bedrohte sie mit einem Messer. Später griff sie einen Mann an, um ihn auszurauben. Im Jahr 2000 wurde sie erneut verurteilt: sieben Jahre und zehn Monate Haft für schweren Raub, Diebstahl und Brandstiftung, entschied das Landgericht Ravensburg. Die Sicherungsverwahrung wurde 2008 angeordnet, nachdem sie im Gefängnis auf Menschen losging. Doch 2009 kippte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung. Deshalb ordnete das Oberlandesgericht Stuttgart die Freilassung der Frau an. Es bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts Ellwangen, gegen die die Staatsanwaltschaft Ravensburg Beschwerde eingelegt hatte.

Die Kammer des Landgerichts muss jetzt die Schuldfähigkeit der Frau sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung prüfen. Weitere Verhandlungstage sind für den 1., 6. und 10. Oktober angesetzt.


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