Ravensburg / sz - Die neuen Waffen mit enormer Zerstörungskraft, die im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden, forderten Millionen Todesopfer. Der medizinische Fortschritt bedeutete auch, dass viele Verwundete überlebten. Ihre Behandlung und Pflege fanden in Lazaretten statt. Auch Ravensburg wurde zur Lazarett-Stadt, und der Schrecken des Krieges hielt mit den vielen verletzten Soldaten Einzug in den Alltag.
Giftgas, Maschinengewehre, Granaten und Minen – immer modernere und immer zerstörerische Waffen kamen im Ersten Weltkrieg zum Einsatz. Das führte dazu, dass rund ein Drittel aller 13 Millionen eingesetzten deutschen Soldaten im Krieg mindestens einmal verwundet wurde. Doch Gewehrfeuer und Explosionen waren nicht die einzige Gefahr für die Frontsoldaten. Wegen mangelnder Hygiene verbreiteten sich Krankheiten und Seuchen wie Fleckfieber, Typhus und Ruhr im Heer besonders schnell.
Auch das EK war ein Lazarett
Die Erstversorgung verletzter oder kranker Soldaten fand in der Regel in einem Feldlazarett in der Etappe statt, dem Gebiet hinter der Frontlinie. Danach wurden die Soldaten in die Lazarette in Deutschland überwiesen. Der Weg von den Fronten, die im Westen und Osten des Deutschen Reichs lagen, war häufig sehr beschwerlich und für die Schwerverwundeten lebensgefährlich. Eigens eingerichtete Lazarettzüge, die im Idealfall mit Betten ausgestattet und mit medizinischem Personal besetzt waren, brachten die Patienten in die Heimat. Bei der Ankunft am Bahnhof half dann zum Beispiel die „III. württembergische freiwillige Sanitätskolonne Ravensburg“ beim Ausladen der Patienten.
Jede der Garnisonen im Deutschen Reich, wo im Frieden die Soldaten stationiert waren, hatte ein Lazarett eingerichtet. Im Kriegszustand nannte man diese dann Reservelazarette. Zur Entlastung dieser militärischen Krankenstationen waren in Deutschland vom Roten Kreuz oder Ordensgemeinschaften weitere Lazarette eingerichtet worden. Man fasste diese unter dem Begriff Vereinslazarette zusammen.
In Ravensburg beherbergten das Klösterle, das katholische Gesellenhaus, das evangelische Vereinshaus, das Elisabethen-Krankenhaus (EK) und das städtische Spital je ein Vereinslazarett. Dort arbeiteten die Sanitätsoffiziere des Heeres gemeinsam mit Zivilärzten und den ausgebildeten Krankenschwestern und Pflegern des Roten Kreuzes zusammen. Von den zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfern wurden sie bei ihren Aufgaben tatkräftig unterstützt. Dazu gehörten das Waschen der Patienten und das Verbinden ihrer Wunden. Im Lazarett kümmerte man sich auch um das seelische Wohl der Patienten. Die Pfarrer und Pastoren der örtlichen Kirchen statteten regelmäßige Besuche ab. Wenn die Kranken wieder gesund waren, halfen ihnen die örtlichen Behörden einen Arbeitsplatz zu finden.
Die Soldaten in den Ravensburger Lazaretten kamen häufig in Kontakt mit den Einwohnern der Stadt. Neben der alltäglichen, medizinischen Pflege kümmerten sie sich nämlich um die weiteren Bedürfnisse der Patienten. Deswegen kamen die Ravensburger Schüler in die Lazarette und führten beispielsweise Theaterstücke für die Soldaten auf. Außerdem sorgte man während des Krieges in regelmäßigen Abständen dafür, dass in den Lazaretten genug Lesematerial für die Kranken und Verwundeten vorhanden war. Neben Büchern spendeten die Einwohner der Stadt auch immer wieder Tabakwaren, Kleidung und Nahrungsmittel für die Bedürftigen in den Lazaretten.
Durch diesen Kontakt der Ravensburger Bevölkerung mit den Verletzten und teilweise auch Schwerverwundeten, erhielten die Menschen in der Heimat einen Eindruck von der Zerstörungskraft des Krieges. Mit fortschreitender Dauer des Krieges gehörten auch die Invaliden mit amputierten Gliedmaßen und entstellten Gesichtern zum städtischen Alltag. Selbst diejenigen, die nicht als Soldaten an die Front ziehen mussten, konnten sich dadurch ein Bild vom Schrecken des Krieges machen.
Ina Szymnau ist die Kuratorin der Ausstellung „Im Zeichen des Krieges – Ravensburg und der Erste Weltkrieg“. Wie Menschen in der Stadt den Krieg erlebten, zeigt ab 10. Oktober die Ausstellung im Humpismuseum.