Ravensburg / sz - Infektionen, Abstürze und Verletzungen: Manche Berufe bergen Risiken oder können sogar lebensgefährlich sein. In einer Serie stellt die Schwäbische Zeitung in den kommenden Wochen die gefährlichsten Jobs im Landkreis Ravensburg vor. Dabei wird auch aufgeklärt, warum manche Berufe nur auf den ersten Blick gefährlich wirken und andere gefährlicher sind als gedacht.
Hoch über unseren Köpfen gehen die Fensterputzer ihrer Arbeit nach. Denn auch wer im sechsten Stock wohnt oder arbeitet, möchte gern einen klaren Ausblick haben. Doch ist der Job der Luftakrobaten wirklich so gefährlich, wie er sich anhört? Der 22-jährige Lehrling Victor Hecht aus Ravensburg gibt uns einen Einblick.
Hebebühne stoppt von selber
„Das erste Mal war mir schon etwas mulmig zumute“, gibt er zu. „Aber eigentlich habe ich keine Angst, wenn ich auf der Hebebühne stehe. Die Maschine ist schließlich dafür vorgesehen.“ Die Hebebühne stoppt von selber, wenn es unsicher wird. Dann lässt sie sich auch nicht mehr weiter ausfahren. Außerdem sind die Arbeiter mit einem Fallschutz, einer Art Gurt, am Korb gesichert. Daher kann Victor, der jetzt sein drittes Lehrjahr beginnt, nicht nachvollziehen, warum der Beruf des Fensterputzers als so gefährlich gilt.
Die Versicherung „Churchill Life Insurance“ stufte den Job immerhin als den gefährlichsten der Welt ein – noch vor dem des Soldaten und des Feuerwehrmannes. Nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung gibt es in der Branche rund 120 Arbeitsunfälle pro Jahr in Deutschland. In den vergangenen fünf Jahren endete jedoch nur ein Unfall tödlich. In der Gebäudereinigungsfirma, für die Victor arbeitet, gab es bislang noch gar keine Unfälle. Auf die Frage hin, ob seine Mutter, die den Betrieb leitet, sich keine Sorgen um ihn mache, antwortet er: „Doch, ich denke schon. Die ist da viel vorsichtiger als ich, aber sie ist ja schlussendlich auch die Verantwortliche.“
Über seine Mutter ist der ursprünglich gelernte Schreiner zu der ungewöhnlichen Lehrstelle gekommen. An sich sei der Beruf eher unbeliebt und unbekannt, meint er, aber das Interesse daran nehme langsam zu. Ihm mache der Job jedenfalls Spaß. Es bleibe immer spannend, weil jeder neue Einsatz wieder eine Herausforderung darstelle, sagt der Lehrling.
Höhenangst hat er keine. Das ist allerdings auch eine recht wichtige Voraussetzung für den Job. Mit der Hebebühne fahren er und seine Kollegen bis zu 25 Meter hoch. Meistens ist man dabei zu zweit im Korb. Oben angekommen, arbeiten sie sich dann von oben nach unten vor. Geputzt wird immer erst, wenn der Korb steht. „Nur ein kleiner Stoß mit dem Stahlkorb gegen das Glas, und das Fenster ist kaputt.“ Man müsse sich also neben dem Putzen auch auf die Steuerung konzentrieren.
Für den Umgang mit der Hebebühne muss jeder Lehrling einen speziellen Schein machen, bei dem er nicht nur lernt, sich selbst, sondern auch die Maschine und Außenstehende zu sichern. Bei einem Einsatz müssen die Einsatzleute die Bühne kippfest aufstellen und den gesamten Arbeitsbereich absperren, damit eventuell Vorbeilaufende nicht der Gefahr ausgesetzt werden, von einem herunterfallenden Putzeimer getroffen zu werden. Haben die Fensterputzer dann ihr Material eingerichtet und sind gesichert, fahren sie in luftige Höhen.
Doch auch mit der Leiter geht es bis zu acht Meter nach oben. „In der Ausbildung gibt es viele, die nicht einmal fünf Leiterstufen hochgehen können, ohne Angst zu bekommen“, erzählt er. Die würden dann aber auch nicht bei den entsprechenden Aufträgen eingesetzt.
Neben der Variante mit der Hebebühne gibt es auch die Möglichkeit, sich von oben abzuseilen. Allerdings braucht man auch dafür einen Schein, denn man muss bestimmte Knotentechniken lernen. Aber auch wer von innen putzt, muss sich zum Teil mit Gurten sichern. „Man darf sich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“, sagt Victor – im wahrsten Sinne des Wortes.