Ravensburg / sz - Sie hören sich Probleme an und geben Ratschläge. Sie vermitteln zwischen Klienten und Beratungsstellen. Sie organisieren einen Schlafplatz. Und bevor alle Stricke reißen, verteilen sie auch mal Schlafsäcke. Die Streetworker der Anode helfen abhängigkeitskranken Menschen in Notlagen. Schnell und unbürokratisch. Im Kreis Ravensburg hat diese Aufgabe nun Jessica Burk übernommen. Sie tritt damit die Nachfolge von Simon Windisch an, der in einen anderen Bereich der Anode wechselt.
„Wir geben denjenigen Menschen, die durch alle Auffangraster gefallen sind, Überlebenshilfe“, erklärt Jessica Burk ihren Auftrag. Mit wir ist vor allem auch der Streetworkerkollege der Anode Holger Bernhard, der im Bodenseekreis als Streetworker aktiv ist, gemeint, mit dem ein intensiver Austausch besteht. Jessica Burk hat sich schon während ihres Studiums der sozialen Arbeit an der Hochschule Ravensburg-Weingarten intensiv mit Themen wie Abhängigkeitserkrankungen und Jugenddelinquenz auseinandergesetzt. „Alle Menschen haben Anspruch auf soziale und medizinische Hilfe – das ist für mich der Kerngedanke der Sozialen Arbeit“, betont die Streetworkerin.
Eine erste Vorbereitung auf ihre jetzige Aufgabe war für die 32-Jährige ihr Praxissemesters in der Ravensburger Justizvollzugsanstalt. „Dort hatte ich unter anderem Kontakt mit suchtkranken Menschen und weiß seitdem, dass ich keine Berührungsängste habe.“ Deshalb falle es ihr auch nicht schwer, auf neue Klientinnen und Klienten zuzugehen. Ein Teil ihrer neuen Aufgabe besteht darin, bestimmte Treffpunkte wie das Bahnhofsareal oder den Platz am Grünen Turm aufzusuchen und mit Hilfebedürftigen ins Gespräch zu kommen. Als Ravensburgerin kennt Burk die örtlichen Gegebenheiten, war selbst als Jugendliche mit Freunden in der Stadt unterwegs.
Die Arbeit auf der Straße ist aber nur ein Teil ihres Jobs. Zusätzlich bietet sie im Ravensburger Kontaktladen „Die Insel“, einer Anlaufstelle für drogenabhängige Menschen, jeden Mittwoch eine Sprechstunde an. Außerdem hat sie ein Diensthandy dabei, über das sie tagsüber für die Klienten erreichbar ist. Das macht die Arbeit der Streetworkerin spannend und anspruchsvoll zugleich. „Da wir sehr flexibel reagieren, weiß man nie, was ein Arbeitstag so bringt“, erzählt Jessica Burk.
Die meisten sind Opiatabhängige
Im Landkreis Ravensburg werden über die Streetworker der Anode derzeit rund 180 Klienten betreut, die im Schnitt 36 Jahre alt sind. Die Hauptgruppe bilden Opiatabhängige, also Frauen und Männer, die Heroin, Morphium oder Drogenersatzstoffe konsumieren. Und auch Cannabis, Amphetamine und Beruhigungsmittel werden konsumiert, wobei auch Alkohol eine nicht geringe Problematik darstellt. Die Streetworker verstehen sich als die „letzte Instanz vor dem Nichts“.
Das bedeute, dass sie diesen Menschen beim Ausstieg aus der Sucht helfen, indem sie beispielsweise den Kontakt zur Drogenberatung der Caritas oder den Suchtstationen des ZfP Südwürttemberg herstellen. Doch auch für diejenigen, die ihren Drogenkonsum nicht aufgeben können oder wollen, bieten sie Hilfestellung. Das Ziel ist, die aktuelle Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. „Ich mache mir bei meiner Arbeit immer bewusst, dass ich nicht alle Menschen aus dem Elend retten kann“, erzählt Jessica Burk. „Stattdessen überlege ich, was in diesem Moment die nächstbeste Möglichkeit ist.“ Und manchmal müsse man eben auch akzeptieren, dass sich jemand nicht helfen lassen will.
Wie sie es schafft, diese oft belastenden Ereignisse zu verarbeiten? Die Mitarbeitenden der Anode haben regelmäßig Teamsitzungen und Supervision, bei denen sie Fallbesprechungen abhalten und sich austauschen. Zudem verfügt Jessica Burk über ein Umfeld, dass ihr den Rücken stärkt. „Wenn mir ein Fall nicht aus dem Kopf geht, rede ich mit Freunden oder meiner Familie darüber, das hilft“, sagt Burk.