Quantcast
Channel: Schwäbische: Feeds: Tuttlingen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 107107

Wie sich Neulinge im Gemeinderat schlau machen

$
0
0

Ravensburg / sz - „Dem Gemeinwohl verpflichtet“ haben sich inzwischen alle der im Mai gewählten Gemeinderäte. Doch für manchen der Neuen fragt sich, woher er das Wissen bekommt, um keine Fehler zu machen, und erfährt recht schnell, dass die Hilfestellungen in den einzelnen Kommunen unterschiedlich sind.

Fast überall gibt es vom Bürgermeister bei der Amtseinsetzung als fundamentales Handwerkszeug die Gemeindeordnung samt Ortssatzung plus Kommentar, die Informationsbroschüre sowie vom Gemeindetag und der Schule für Verwaltung Kursangebote zu wichtigen kommunalpolitischen Themen wie Kommunalrecht, Haushalt, Finanzen, Baurecht. Letzteres eine Offerte, die laut Hauptamtsleiter Gerold Wiedenmann in Wolpertswende von den neuen Ratsmitgliedern sehr gut angenommen wird. Und neu ist hier exakt das halbe Gremium. Wer Inter-esse habe, melde sich an – „wir tragen die Kosten“, so Wiedenmann. Und so ist es fast überall, wo man diese Angebote weiterreicht.

Hiltrud Lang aus Wolfegg, die im Mai nicht mehr kandidierte, erinnert sich noch gut daran, wie ihr ein Seminar „die Augen geöffnet“ habe, das seinerzeit das Landratsamt „nur für Frauen im Gemeinderat" angeboten hat und wo einem erst so richtig klar wurde, dass der Bürgermeister zwar erster Mann im Dorfe, der Gemeinderat aber der eigentliche Souverän ist. In diese Rolle musste man sich erst hineinarbeiten. Sehr hilfreich sei dabei gewesen „wie toll uns die älteren Kollegen damals aufnahmen“.

Eine Erfahrung, die auch die Fronreuter Gemeinderätin Hildegund Rist teilt. Nur wer über Grundsätzliches informiert sei, könne eine gute Diskussionskultur pflegen, abwägen und dann entscheiden. Wenn die Kommune nicht von sich aus liefert, hat jeder Gemeinderat das Recht, ihm fehlende Informationen einzufordern.

Viktor Jeuck in Bodnegg denkt, dass er das tun wird, tun muss. Als Neuling im Rat hat er zwar auch Gemeindeordnung und Satzung bekommen, aber „Schulungen wurden bei uns nicht angeboten“. Weil er über eine neue Liste ins Gremium kam, fehlt auch noch der Austausch mit erfahrenen Kollegen. „Doch wir sind angetreten, weil es zu wenig Informationen und Transparenz in der Gemeindepolitik gibt, also werden wir sie einfordern.“

Das klingt selbstbewusst. So selbstbewusst wie in Berg auch Neuling Benjamin Strasser aufgetreten ist, der schon als Kandidat forderte, dass die Gemeinde-Homepage auf Vordermann gebracht, Sitzungseinladungen, Beschlussvorlagen und genehmigte Protokolle ins Internet gestellt und wichtige Debatten per Livestream übertragen werden.

In Horgenzell ergreift jetzt erst mal Kämmerer Ralf Meßmer die Initiative und bietet eine Finanz- und Haushaltsschulung an. Sie soll noch vor dem 24. September über die Bühne gehen, denn „da haben wir die Jahresrechnung auf der Tagesordnung, da wäre es nicht schlecht, wenn diese Schulung vorher stattfinden könnte“. Gemeinderundfahrt zu den wichtigsten kommunalen Einrichtungen und Klausurtagen stehen für die nächste Zeit in Horgenzell und in fast jedem anderen Rathaus ebenfalls auf dem Terminkalender.

Auch der Bergatreuter Bürgermeister wählt am 19. September den Einstieg mit einer Klausurtagung. Solothema: die Schule. Friedhelm Schäfer hält nichts davon, gleich im ersten Vierteljahr die ganze Politklaviatur durchzuspielen, sondern will die Leute in die Themen hineinwachsen lassen und Fragen dann beantworten und die Probleme dann wälzen, wenn sie anstehen: „Des isch schon brutal“, was in kurzer Zeit auch so auf die Neulinge zukomme.

„Stimmt“, sagt Gemeinderätin Hildegund Rist. Manchmal, so gesteht sie, sei sie sich anfangs schon „etwas blöd“ vorgekommen, wenn die alten Hasen locker über Baugesetz-Paragraf 34 oder über die Fortschreibung, über Haushaltsreste oder Mindestrücklage geredet haben. Wenn sie nicht einsehen wollte, warum einem Bauvorhaben das Einvernehmen nicht verweigert werden kann, obwohl nach gesundem Menschenverstand dies die richtige Lösung wäre. Aber das habe sich gelegt. Um was sich jeder einzelne aber ein Ratsleben lang ständig bemühen müsse, sei Kollegialität, konstruktive Kritik und das Mittragen demokratischer Entscheidungen, sagen Hildegund Rist wie Hiltrud Lang, wenn auch jeweils in anderen Worten.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 107107