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Clownerie ist mehr als ein Kinderspiel

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Ravensburg / sz - Was ist ein Clown? Ein Spaßmacher mit absurdem Kostüm, bemaltem Gesicht und roter Knollennase? Diese Ravensburger Clowns aber tragen gerade gar nichts von den Insignien der Zirkusleute, denn bei ihrem Seminar verzichten sie auf Verkleidung. Ausgebildete, Anfänger und Fortgeschrittene finden sich dieses Jahr wieder in den Workshops der Sommerakademie des Theaters Ravensburg zusammen, die Andreas Weisser, selbst seit 25 Jahren professioneller Clown, zusammen mit anderen Dozenten veranstaltet.

Beruf mit Zukunft

Wozu braucht man überhaupt so viele Clowns? „Vielleicht ist das sogar ein Zukunftsarbeitsgebiet, was die Palliativmedizin und die Hospize angeht“, gibt Weisser zu bedenken, der selbst mit der klassischen Clownerie im Kinderheim begonnen hat. Natürlich hätten die Altenheime meist kein übriges Budget für die Clowns, aber die Ärzte und die Kliniken sammelten das nötige Geld, da mittlerweile die gute therapeutische Wirkung von Clownsbesuchen erwiesen wäre. Es sei eben nicht dasselbe, ob ein Theaterstück aufgeführt würde oder ob ein Clown in einem Zimmer erscheine und direkten Kontakt zum Patienten oder Heimbewohner aufnehme.

Stimmt: Vom Pantomimen unterscheidet er sich durch die Sprache, vom Schauspieler dadurch, dass er selbst seine Figur erfindet und gestaltet, und vom Comedian trennen ihn die Konventionen des Clowns, als da sind das Skurrile, Spielerische, Drollige und Naive, das etwas Unmittelbares hat.

Einzeln oder in Gruppen buchbar

Einen Eindruck von den verschiedenen Möglichkeiten der Darstellung und der einen Seite der Clownsarbeit gibt die öffentliche Abschlussvorführung der Sommerakademie im Theater Ravensburg. Da ist von der absoluten Improvisation – unter der genialen Anleitung von Dozent Bernard Stöckli – bis zur konventionellen Clownsnummer mit Seifenblasen alles dabei. Einige sind packend wie die Nummer von zweien, die sich um einen Stuhl streiten und außer der Pantomime nur den einen Satz „Das ist mein Stuhl!“ sprechen dürfen, die gut gemachte Klamotte von „Enrico“ im Trapattoni-Deutsch oder auch die verträumt gelangweilte Braut, die vergessen hat, ihr Kleid hinten runterzuziehen. So manches käme davon gut an bei einer Party oder Geburtstagsfeier; schließlich kann man die Clowns einzeln oder in Gruppen buchen.

Szenenwechsel: Morgens um acht Uhr am Mittwoch sind Karin Buhl und Andreas Weisser bereits im Bruderhaus, als Garderobe dient ein Raum im Parterre. Man kennt sich schon länger, mit der Leiterin der Tagespflege wird jetzt zuerst eine Art Übergabe gemacht. Vier verschiedene Stationen mit Patienten ab 70 Jahren, von der Tagespflege bis zur Pflegestation mit Demenzkranken: Da gibt es innerhalb eines Monats einiges an Neuzugängen oder Veränderungen. Aber die meisten Patienten kennt Andreas Weisser schon länger und, heute ist er mit Karin Buhl hier, weil seine übliche Partnerin derzeit Urlaub macht.

Nach der Übergabe verwandeln sich die beiden in den mit Ukulele und Spielzeug behängten „August Gagari“ und die etwas einfältige, aber liebe „Pipa“ im Dirndl mit Schürze und altem Lederkoffer, der so manches beherbergt. Zuerst geht es zum Frühstück in den Gemeinschaftsraum: Gleich richten sich ein paar Augen auf die beiden Gestalten, andere wieder reagieren erst nach wiederholter Begrüßung. „Wir sind immer zu zweit, und oft ist auch eine Pflegekraft dabei, wenn wir in die Zimmer gehen“, sagt Pipa zur Zusammenarbeit mit August. Es ist ein konzentriertes Zusammenwirken von Dialogen, Kalauern, Wortverdrehungen, mit denen die oft verwirrten Heimbewohner zum Reagieren oder Mitdenken angestoßen werden, denn einige sind geistig noch sehr wach.

Auf der Pflegestation spiegeln die Zimmer oft mehr das frühere Leben ihrer Bewohner wieder, als diese selbst das noch vermögen; in einem liegt Frau H. mit geschlossenen Augen und mit eingefallenem Mund. Ganz leise summt der Clown ein sanftes Lied, und Pipa bewegt zart ein Windspiel. Dass diese friedlichen Töne die alte Dame in ihrem Dämmerzustand erreichen, ist anzunehmen, denn der direkte Kontakt zur Welt ist zuallererst das Hören.

Am Samstag, 23. August, ab 10 Uhr haben die Ravensburger Clowns einen Infostand vor der Hauptpost am Marienplatz und verschenken „Glücksmomente“.


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