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Sakrales trifft ungezwungen auf Swing

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Ravensburg / sz - Ravensburg - Der Festsaal in der Weißenau war schon seit Tagen ausverkauft. Und so hatten "Voces8", gesprochen mit "tsch", acht Briten aus Großbritannien, in dem voll besetzten Raum die beste Akustik für ihren phänomenalen a cappella-Gesang - selbst wenn sie darauf absolut nicht angewiesen sind.

Denn sobald sie sich auf der Bühne im Halbkreis aufgestellt hatten, erfüllte das Klangvolumen ihrer Stimmen den Saal, und das ganz ohne Verstärkung. Akustisch quasi von hoch nach tief standen auf der linken Seite die zwei Sopranistinnen, daneben die beiden Countertenöre, dann folgten die Tenöre, Bariton und Bass machten den Abschluss. Rein von der Statur und Körpergröße sind sie höchst unterschiedlich und kurioserweise überragt die Sopranistin Andrea Haines fast alle anderen um Haupteslänge. Nur der Bass Jonathan Pacey steht ihr "auf Augenhöhe" gegenüber. Im Laufe des Abends übernahm fast jeder einmal die Moderation in Englisch - mit britischem Humor und Understatement, um die Choreographie zu erklären.

Aber was die Acht vor allem besitzen, ist eine überwältigende Musikalität, die alles enthält: Stimmbeherrschung, Präzision, Gestaltungsgabe, glänzende Artikulation in den verschiedenen Idiomen. Was so ruhig und konzentriert wirkt, ist Ausdruck höchsten Könnens und eines vielseitigen Repertoires, was schon der Titel ihres Programms besagt: "The Nave to the Stage", vom Kirchenschiff zur Bühne. Es reicht von den Renaissance-Komponisten Thomas Tallis, William Byrd oder Giovanni Gabrieli, deren geistliche Festgesänge wie das Anthem "Haec Dies" von Byrd im Original oder "Te Lucis Ante Terminum" in einem eigenen Arrangement das Ensemble in kleinen Gruppen mit anderen Kompositionen kontrastiert.

Mal brummend, mal innig

Die ungezwungene Verbindung von Byrd mit dem vielschichtigen "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" von Heinrich Schütz oder Sergej Rachmaninovs "Bogoroditse Dyevo", ein russisch-orthodoxes Lied mit voluminösen Steigerungen und tief brummenden Bässen, macht den Weg sakraler Musik durch mehrere Jahrhunderte deutlich und gleichzeitig ihren inneren Zusammenhalt. Den spürt man auch, wenn das Ensemble aus Mendelssohn-Bartholdys Oratorium "Elias" den Gesang "Denn er hat seinen Engeln befohlen" anstimmt und ebenso innig und beseelt wie vielstimmig danach das Lied "Maria durch ein Dornwald ging" interpretiert.

Im zweiten Teil dann Jazz, Swing, ein Spiritual, Folk und Pop. Solch eine Mixtur könnte misslingen - nicht aber auf diesem Niveau. Denn bei "Voces8" und den einzelnen Soli werden alle diese Songs hochkomplexe Kompositionen, polyphon ausgefeilt, darstellerisch aufgeladen - jetzt weniger im Halbkreis als in freier Bewegung. Und sie waren ganz "on time", als in dem Folksong "Underneath the Stars" die Stimmen wie Glocken ausschwangen, immer zögernder und leiser wurden und gleichzeitig die Kirchenglocke der Weißenau schlug. Zwei Zugaben, eine als geniale Mini-Opern-Parodie. Applaus und nochmal Applaus und ein zu Recht hingerissenes Publikum.


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