Ravensburg / sz - Eigentlich wollen sie alle, dass es dem Tier gut geht. Der Amtstierarzt, der Landwirt, der Tierschützer. Oftmals sind sie einer Meinung, oftmals auch nicht. Diskussionen sind alltäglich: über Haltung und Unterbringung, über Transport und Schlachtung. Es wird gezankt und beleidigt, mitunter sogar gedroht. Mit tödlichen Folgen: Erst Anfang dieses Jahres hat ein Bauer in Brandenburg einen Amtsveterinär erschossen; eine andere Amtstierärztin aus dem baden-württembergischen Bad Mergentheim hat sich vergangenes Jahr selbst umgebracht. Der Druck ist hoch – auch in Ravensburg.
"Ich weiß, wo ihre Tochter jobbt." Mit diesen Worten ist Johann Hartmann, Leiter des Veterinäramtes Ravensburg schon angegangen worden. Spurlos geht das nicht an ihm vorbei. Kleinkriegen lässt er sich trotzdem nicht. "Als Amtstierarzt muss man vieles schlucken können", sagt er. Denn in diesem Beruf werde man erst einmal angefeindet: den Landwirten ist man zu pedantisch, den Tierschützern zu lasch. "Dabei sind wir letztlich nur der Sklave des Gesetzes", sagt Hartmann. Er und seine zehn Tierarztkollegen im Veterinär- amt Ravensburg hätten genaue Vorgaben, an die sie sich halten müssten. Ihr Auftrag sei die Kontrolle, so wie der Gesetzgeber sie vorschreibt. "Unsere Spielräume sind dabei sehr eng", erklärt Hartmann.
Anforderungen nehmen zu
Die Anforderungen an Landwirte und Veterinärämter sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Beide Seiten schimpfen über die zunehmende Dokumentationspflicht und Verwaltungsarbeit. "Wir haben Aufgaben hinzubekommen, die sehr personalintensiv sind", klagt Hartmann. "Wir müssen alles genau aufschreiben", klagt der Schweinebauer Gebhard Sonntag (64) aus Baindt. "Das ist mittlerweile anstrengender als arbeiten", scherzt er. Mehr als 300 Schweine hat Sonntag auf seinem Hof. Die niedrigen Fleischpreise, die vor allem von den großen Supermarktketten gedrückt werden, bereiten ihm Kopfzerbrechen. "Erst vor drei Jahren haben wir einen komplett neuen Stall gebaut, und jetzt ist der Preis im Keller", sagt er.
Genauso wie dem Rinderwirt Paul Maucher aus Bad Waldsee ist es Sonntag wichtig, dass es den Tieren gut geht – auch wenn das für die Landwirte nicht immer ganz billig ist. Ein Beispiel: Als es in den vergangenen Wochen so heiß war, hätten beide für ihre Tiere die Beregnungsanlage eingeschalten. "Die Verdunstungskälte hilft ihnen bei der Hitze", erklärt Maucher. Der 64-jährige Waldseer, der seinen Familienbetrieb im kommenden Jahr an seinen Sohn übergibt, hatte eigenen Aussagen zufolge bislang weder mit Veterinären noch mit Tierschützern Probleme. Seine Philosophie: "Mit Tieren ist es wie mit Menschen: Mit beiden muss man einen respektvollen Umgang pflegen." Dennoch weiß er auch von schwarzen Schafen unter den Landwirten.
Die kennt auch die Ravensburger Amtstierärztin Gabriele Wetzel, zu deren Aufgabengebiet der Tierschutz gehört. Sie schätzt, dass es im Landkreis Ravensburg rund 1700 Betriebe mit landwirtschaftlicher Nutztierhaltung gibt. Darunter sind ein halbes Dutzend schwerwiegende Fälle pro Jahr. "Vor allem bei kleineren Betrieben gibt es Verstöße", meint Wetzel. Und ihr Vorgesetzter, Amtsleiter Johann Hartmann, ergänzt: "Tierhalter, bei denen es Probleme im Stall gibt, haben auch im privaten Umfeld häufig Probleme." Und diese würden sich dann auf die Tierhaltung niederschlagen. "Wir sind also immer auch Seelsorger", sagt Hartmann.
Zerstochene Autoreifen
Hinstehen und sich durchsetzen – das sind Eigenschaften, die nicht nur ein Amtstierarzt mitbringen muss. Auch die Weingartenerin Edeltraud Fürst, Vorsitzende des Vereins Bürger für artgerechte Nutztierhaltung Oberschwaben, kann davon ein Lied singen. Ihr haben erboste Landwirte schon im Stall aufgelauert und Autoreifen zerstochen. Sie kämpft trotzdem weiter. Als militante Tierschützerin würde sich Fürst aber nicht bezeichnen. "Ich bin eher Tierrechtlerin", stellt sie klar. Als Tierrechtlerin ärgert sie sich darüber, dass das Tierschutzgesetz zu schwammig und der Graubereich zu groß ist. Es stört sie, dass es keine konkreten Definitionen gibt. "Jeder weiß heutzutage, was ein Blechschaden am Auto ist, aber was Tierschutz ist, das weiß keiner."
Auch Peta mischt mit
Mit dem Ravensburger Veterinäramt pflege sie mittlerweile ein gutes Verhältnis, sagt Fürst. Das sei aber nicht immer so gewesen. Für die Veterinäre würde sie sich wünschen, dass sie mehr Handhabe hätten. "Ein Amtstierarzt, der seinen Beruf ernst nimmt, muss bei den Gesetzeslücken doch manchmal echt verzweifeln", so die Weingartenerin.
Dass ein Veterinäramt von Tierrechtlern gelobt wird, kommt selten vor. Doch auch die Tierschutzorganisation Peta findet im Falle der Ravensburger Veterinäre nur positive Worte. "Unsere Zusammenarbeit mit dem Landkreis Ravensburg ist sehr gut", sagt Peter Höffken von Peta Stuttgart. Ein Pluspunkt sei, dass sich das Veterinäramt sofort um die Beseitigung von Missstände kümmere, auf die man hinweise. "Die Ravensburger heben sich hier von anderen Regionen in Deutschland ab", meint Höffken. "Das liegt eindeutig am Engagement der Amtstierärzte."