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Die "Queen Mum" des Trommlerkorps

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Ravensburg / sz - Gertrud Blank (1908-1989) war die "Trommlermutti" des Trommlerkorps der Ravensburg Gymnasien, das vor 150 Jahren erstmals aufgetreten ist. Wie kaum ein anderer Bürger der Stadt prägte sie über viele Jahrzehnte lang das Rutenfestgeschehen mit. 1908 geboren, wuchs sie als Tochter des Gärtnereibesitzers Franz Eckers in der Gartenstraße auf.

Seit ihrer Kindheit war sie eng mit dem Rutenfest verbunden. Ihr Bruder Hubert Eckers war 1929 Rutenhauptmann und langjähriger Altentrommler. Ihr Vater war als beinahe 90-Jähriger ältester Teilnehmer des Altenschießens 1960. Heute noch trommelt ihr Neffe Hans-Jörg Eckers bei den Altentrommlern.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Studienrat Hans Blank, hat sie nach dem Zweiten Weltkrieg die Voraussetzungen für die Wiederbegründung des traditionellen Adlerschießens und den Neuaufbau des Trommlerkorps geschaffen. Hans Blank war mehrere Jahre lang Schützenvater und betreute in dieser Funktion das Trommlerkorps der Oberschulen. Nach seinem frühen Tod 1952 sorgte sie für das Trommlerkorps.

Mit den Jahren machte sie es sich zum Lebensinhalt, ihre ganze Tatkraft in den Dienst des Trommlerkorps zu stellen. Über die Hälfte ihres Lebens, 43 Jahre lang, erfüllte sie diese Aufgabe. Mit dem 2009 verstorbenen Altentrommler Alfred Schwartz organisierte sie den ersten Trommlerball nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter ihrer Regie wurde der traditionelle Trommlerball zu einem Glanzpunkt der gesellschaftlichen Ereignisse in Ravensburg. Das ganze Jahr hindurch galten ihre Gedanken und ihre Tatkraft den Vorbereitungen des Trommlerballs. Zwei Tage lang kreierte sie als gelernte Blumenbinderin kunstvolle Blumenarrangements und verwandelte so selbst nüchtern wirkende Räume in festliche Ballsäle. Den Eröffnungswalzer bestritt sie zusammen mit dem jeweiligen Schützenvater.

Ihr unermüdlicher Einsatz reichte vom Versorgen blasenbedeckter Trommlerfüße und -hände bis hin zum Bügeln der Schärpen und der Pflege und Aufbewahrung der Insignien und Fahnen.

Das ganze Jahr über stand ihr Haus offen für Trommler und "Ehemalige". Es hatte den Charakter eines Rutenfest- und Trommlermuseums und Archivs - in vielen Schränken schlummerten Fotoalben mit wertvollem Material, Trommlerlisten und anderes mehr.

Schließlich war sie auch eine Art ,,Krankenschwester" am Rutenfest, die in ihrem grünen VW-Polo Heftpflaster und allerlei Medikamente mitführte; legendär waren auch ihre Fußbäder und Massagen, die sie, teils auch gegen den Widerstand der Betroffenen, müden und maladen Trommlerfüßen zuteil werden ließ. Schließlich führte sie in ihrem Auto Regencapes, weiße Hemden, Ersatzhandschuhe und Ähnliches mit; im Schnitt alle zwei Stunden begegnete man ihr wieder auf einer Einladung und konnte diese Dienste in Anspruch nehmen.

Die energische und selbstbewußte "Trommlermutti" ließ es sich nicht nehmen, allen Mitgliedern des an den Rutenfesttagen frühmorgens vor ihr angetretenen Trommlerkorps persönlich die repräsentativen und eisgekühlten Nelkensträuße am Hosenbund zu befestigen. (Troko-Jargon: "Sack-Botanik").

Ein Höhepunkt stellte insbesondere das alljährliche Treffen von Trommlergenerationen am Rutenmontag in ihrem Garten dar. Bei Leberkäswecken und Bowle wurden Kontakte geknüpft und Freundschaften innerhalb der von ihr geschaffenen Trommlerfamilie geschlossen und erneuert.

Über das Rutenfest hinaus nahm sie lebhaften Anteil am öffentlichen und kulturellen Geschehen in Ravensburg und Umgebung. So war sie zum Beispiel auch Mitglied im Bürgerforum Altstadt und engagierte sich im Ortszirkel "Mehlsack" der katholischen Studentenverbindungen. Für ihre Verdienste erhielt sich 1983 als erste Bürgerin die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg.

Auch modernen Zeiten zeigte Sie sich im hohen Alter aufgeschlossen und übte mit "ihren" Oberchargen in den 80-er Jahren resolut nicht nur den Walzer, sondern auch Disco-Fox, Rumba und ChaCha ein.

Zu einem eindrucksvollen Ereignis wurde ihr 80. Geburtstag im Januar 1988, als ihr Hunderte von Gratulanten Glückwünsche und Wertschätzung aussprachen.

Nach kurzer Krankheit verstarb sie zwei Tage nach dem Berliner Mauerfall am 11. November 1989. Zur Trauerfeier fanden sich mehrere hundert Mitglieder ihrer Trommlerfamilie auf dem Hauptfriedhof ein, um Ihrer "Queen Mum" bei Trommelklang das letzte Geleit zu geben.

Dieser Text wurde zusammengestellt von den Troko-Ehemaligen Alfred Lutz, Markus Waidmann, Eugen Bucher, Oliver Schneider und Franz-Thomas Rundel.

Weitere Infos rund ums Rutenfest gibt es unter www.schwaebische.de/rutenfest.


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