Trotz voller Auftragsbücher seien die Handwerksbetriebe in der Region nicht in der Lage, leistungsgerechte Preise durchzusetzen, bedauert Kreishandwerksmeister Joachim Krimmer. Rücklagen und Freiräume für Investitionen seien kaum möglich. Eine Wachstumsbremse drohe auch der Fachkräftemangel zu werden. Hinzu komme: „Die Ausbildungssituation ist sehr angespannt.“
Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Fanz Moosherr, fordert vor allem von der Politik mehr Wertschätzung gegenüber dem Handwerk, das allein im Landkreis Ravensburg mit knapp 20000 Beschäftigen für rund ein Fünftel aller sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsverhältnisse sorgt. Rund ein Drittel der Auszubildenden entfallen auf die Handwerksbetriebe.
65 Prozent der Handwerksbetriebe im Landkreis beurteilen die Geschäftslage als gut, nur knapp zehn Prozent als schlecht, hat Moosherr eruiert. Dabei sei die Frühjahrsbelebung, wegen des wärmer ausgefallenen Winters diesmal sogar ausgeblieben. Die Flucht in Sachwerte wie Immobilen hält dafür weiter an. Und die Zukunftsprognosen seien nicht schlecht: Von den rund 120000 Wohnungen im Kreis Ravensburg müssen 70 Prozent engergetisch ertüchtigt werden, und der seniorengerechte Umbau sei angesichts der demografischen Entwicklung ein großer Markt. „Jetzt wäre die Zeit, Fett auf die Rippen zu kriegen“, sagt Moosherr. Doch angemessene Preise seien immer schwerer durchzusetzen. Die Kreishandwerkerschaft will ihre Mitgliedsbetriebe deshalb stärker für die Preisargumentation schulen. „Zu verkaufen und zu verdienen, das ist die wahre Kunst“, sagt Moosherr.
Häufig beschweren sich Kunden bei der Kreishandwerkerschaft, weil auf der Handwerkerrechnung 48 Euro für die Meisterstunde in Rechnung gestellt werden. Gleichzeitig werde in der EDV-Branche das Doppelte akzeptiert. Dabei konkurrieren die Handwerksbetriebe auch mit vielen Kleinstfirmen, die mit „Subsubunternehmern“ ohne qualifiziertem Personal zu Dumpingpreisen auf dem Markt seien, ärgert sich Moosher. Qualitativ hochwertige Arbeit habe jedoch ihren Preis. Bei einem Verrechnungssatz von 40 Euro blieben nach Abzug der Lohnkosten, der Lohnzusatzkosten und aller sonstigen Aufwendungen ein Gewinn von gerade noch 1,26 Euro.
Wenig hilfreich sei die Novellierung der Handwerksordnung 2003 gewesen, die es in bestimmten Bereichen ermöglichte, auch ohne Meisterbrief handwerkliche Leistungen anzubieten. Die Zahl der Betreibe, zum Beispiel bei den Fliesenlegern, sei dadurch „explodiert“, berichtet Krimmer. Häufig verschwinden solche „Glücksritter“ bald vom Markt, nachdem sie die Preis kaputt gemacht haben. Deswegen wendet sich die Kreishandwerkerschaft gegen Brüsseler Bestrebungen, den Zugang zu weiteren Handwerksberufen zu erleichtern.
Fachkräfte fehlen
Sorge bereitet im Handwerk auch der Fachkräftemangel. „Jeden Monat gehen starke Jahrgänge in Rente, und von unten kommen schwache Jahrgänge nach“, berichtet Krimmer. Der Trend zu höhreren Bildungsabschlüssen schwäche das Handwerk zusätzlich. Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. „Die Dramatik nimmt weiter zu“, befürchtet er. Die Altersstruktur lasse erwarten, dass bis 2018 in den Handwerksbetrieben im Landkreis 46 Prozent der Beschäftigten über 55 Jahre alt sind. Mit einer Imagekampagne will die Kreishandwerkerschaft auch für mehr Nachwuchs werben. Nur 25 Prozent der Betriebe bilden aus, was zum Teil auch der Handwerksnovelle von 2003 geschuldet sei.