Ravensburg / sz - Der 33-jährige Sebastian Guggolz hat in Berlin einen eigenen kleinen Verlag gegründet – und verlegt verstorbene und vergessene Autoren.
Sebastian Guggolz liest immer und überall. In der Bahn, vorm Einschlafen und sogar beim Gehen. Wenn er in ein Buch versunken ist, dann vergisst er die Welt um sich herum. Da kann es schon mal vorkommen, dass er seine Bahnhaltestelle verpasst oder gegen einen Straßenpoller läuft. Drei bis vier Bücher verschlingt Guggolz pro Woche. Aber Lesen ist für den gebürtigen Ravensburger nicht nur ein Hobby. Er verdient damit seinen Lebensunterhalt.
Sebastian Guggolz kommt aus dem 700-Einwohner-Dorf Esenhausen, das zur Gemeinde Wilhelmsdorf gehört. Seine Eltern leben immer noch dort. Der 33-Jährige selbst ist vor zehn Jahren nach Berlin gezogen. Lange arbeitete er als festangestellter Lektor bei dem Verlag Matthes & Seitz Berlin. Vor anderthalb Jahren hat sich Guggolz einen Traum erfüllt. Er machte sich selbstständig und gründete einen eigenen kleinen Verlag: den Guggolz-Verlag.
"Meine Familie hat auf mein Vorhaben absolut positiv reagiert und unterstützt mich bis heute", sagt Guggolz. Lediglich seine Freunde seien am Anfang skeptisch gewesen. "Sie fragten, ob ich wirklich alles durchdacht und mir auch um das Finanzielle genug Gedanken gemacht hätte", erinnert er sich.
Die Sorgen seiner Freunde waren unnötig. Das Startkapital für sein Projekt bekam Guggolz von einem Mäzen und aus Gründungskrediten. 18 Monate nach seiner Gründung existiert der Guggolz-Verlag immer noch – und hat sich in der Buchbranche sogar einen Namen gemacht: Guggolz wird in die Jury von Literaturpreisen berufen, zu Lesungen eingeladen und als Mentor für Nachwuchsautoren angefragt. Beäugten ihn Mitbewerber, Buchhändler und Buchmarktkenner anfangs noch skeptisch, so klopfen sie dem Verleger mittlerweile auf die Schulter. "Man sagt, dass ein Verlag die ersten zwei Jahre überstehen muss, dann hat er es geschafft", erklärt Guggolz.
Wirklich viel Geld wirft sein Verlag allerdings noch nicht ab, obwohl es für den gebürtigen Ravensburger eigentlich eine Vollzeitbeschäftigung ist. Sebastian Guggolz finanziert sich deshalb über Nebenjobs. Er macht unter anderem die Schlussredaktion für Zeitschriften. Aber letztlich gehe es ihm gar nicht darum, mit seinem Verlag richtig reich zu werden, sagt der Gründer. Auch eine genaue Karrierevorstellung hat er nicht. Viel wichtiger sei es, dass er seinen Traum lebe: "Ich mache das, was ich immer machen wollte, das ist viel mehr wert", so Guggolz. Alles, was er sich vorgenommen habe, sei eingetreten, meint er rückblickend.
Mit seinem Verlag ist der Ravensburger in eine Nische im Buchmarkt gestoßen: Den Fokus legt er auf vergessene und verstorbene Autoren, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts publiziert haben, aber heute nicht mehr gekannt werden. Damit schaffe er eine Marke mit Wiedererkennungswert, sagt Guggolz.
Zu den Autoren, die er verlegt, gehören bislang der finnische Literatur-Nobelpreisträger Frans Eemil Sillanpää ("Frommes Elend"), der Weißrusse Maxim Harezki ("Zwei Seelen"), Hedin Bru von den Faröer-Inseln ("Vater und Sohn unterwegs") sowie der Russe Michail Prischwin ("Der irdische Kelch"). Jeweils im Frühjahr und im Herbst erscheinen zwei neue Bücher, meist in einer Auflage zwischen 1500 und 2000 Stück. Der Katalog für den kommenden Herbst steht schon, die Planung für nächstes Jahr ebenso. Dann soll es auch eine Autorin in das Programm des Verlags schaffen.
Trotz der vielen Hochs kennt Sebastian Guggolz auch Tiefpunkte. Gerade die Zeit zwischen zwei Neuerscheinungen sei für ihn die schwerste, weil wenig passiere. "Das bringt einen oft ganz schön ins Schwitzen", erzählt der Wahl-Berliner. "Man macht sich tagelang verrückt damit, dass sich für die kommenden Bücher niemand mehr interessieren könnte."
Schwierige Buchmarkt-Situation
Davon, dass es der Buchbranche schlecht gehe und kein Mensch mehr Bücher kaufe, geschweige denn lese, will Guggolz nichts hören. "Ich glaube den Unkenrufen nicht, die einen Untergang des Buches heraufbeschwören", meint er. Er hält es für eine Romantisierung der Vergangenheit, wenn behauptet wird, dass früher viel mehr gelesen worden wäre als heute. "Gute und schöne Bücher werden immer eine Chance haben", so der Verleger. Von E-Books nimmt er privat wie geschäftlich Abstand. "Ich brauche Bücher als Gegenstand zum Anfassen und Angucken", begründet er. Die Käufer seiner Bücher sehen das scheinbar genauso. Denn Nachfragen nach E-Book-Versionen gebe es so gut wie keine.
In Berlin möchte Guggolz nicht alt werden. Er könnte sich durchaus vorstellen, samt seinem Verlag wieder nach Oberschwaben zu ziehen. "Ich mag Natur und Landschaft", sagt der 33-Jährige. Außerdem gebe es eine starke Literatur- und Buchhandelslobby in Ravensburg. Hier wäre er gut aufgehoben. Zumal er mit seinem Verlag genauso weitermachen möchte wie bisher. Expandieren will er nicht. "Damit würde auch der Druck steigen", erklärt er, "und das würde mir eher Angst machen."
Mehr zu den aktuellen Geschäftszahlen im deutschen Buchhandel gibt es auf Seite 8. Außerdem finden Sie im Internet ein Video, in dem Sebastian Guggolz aus dem von ihm verlegten Buch "Vater und Sohn unterwegs" liest. Die Lesung gibt es unter:
schwaebische.de/guggolz-liest