Ravensburg / sz - Vor dem Landgericht Ravensburg ist am Dienstag der Prozess gegen einen Mann aus dem nördlichen Kreisgebiet fortgeführt worden, der 2011 seine damals fünfjährige Stieftochter einmalig sexuell missbraucht haben soll. Nach dem Prozessbeginn am 20. Mai (wir berichteten), folgten nun weitere Zeugenbefragungen. Neben zwei Kriminalbeamtinnen war auch die Familienpflegerin geladen, die die Familie über Jahre phasenweise begleitete, sowie eine der früheren Pflegemütter des Mädchens. Die Mutter des Kinder war nicht zur Verhandlung erschienen – sie hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Eine der Kriminalbeamtinnen rekapitulierte den Beginn der Ermittlungen. Sie gab an, dass die Anzeige im Februar 2011 durch die Ärztin gestellt wurde, die das Mädchen untersucht hatte. Die damalige Pflegemutter der Fünfjährigen hatte sie zur Ärztin wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch gebracht, da das Mädchen ein sexualisiertes Verhalten zeigte. Zudem hatte das Kind gegenüber seinen Erzieherinnen im Kindergarten auffällige Äußerungen getätigt und Bilder mit sexuellen Motiven gemalt. Die Untersuchungsergebnisse der Ärztin zeigten keine Auffälligkeiten. Dennoch stellte die Medizinerin Anzeige.
Der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer legte im Verhandlungsverlauf Wert darauf, zu klären, "was im Vorfeld in Gesprächen in das Kind hineingetragen wurde." Die Zeitspanne zwischen den ersten Hinweisen und dem Einschalten der Polizei komme ihm lang vor.
Die psychologische Sachverständige, die in diesem Fall das Gericht berät, ging speziell auf die Videobefragung ein, die die Kriminalbeamtin mit dem mutmaßlichen Opfer geführt hatte. Dabei gebe es Widersprüche. So habe das Kind unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wo und wie oft es zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Auch zwei relevante Geschichten, die das Kind häufiger gegenüber Dritten erzählte, wurden von ihm unterschiedlich wiedergeben.
Immer wieder thematisiert wurde während der Verhandlung eine Familie, die zur Verwandtschaft des Mädchens gehört. Diese Familie soll sich sexuell sehr offen geben, und gegen ein männliches Familienmitglied sollen bereits Ermittlungen laufen.
Die Kriminalbeamtin sprach von zwei weiteren Töchtern, die sexuelle Auffälligkeiten zeigten. In einem Fall sei eine Anzeige erfolgt – zwei Tage nachdem der aktuell verhandelte Fall angezeigt wurde.
Die Familienpflegerin berichtete als Zeugin, dass sie bereits 2009 vom Jugendamt eingeschaltet worden sei, um die damals neu zugezogene Familie zu unterstützen und vor allem Strukturen zu schaffen. Sie bestätigt die am ersten Verhandlungstag geäußerten chaotischen Zustände in der Familie. "Ich denke, die Mutter war überfordert und die Umgestaltung der Erziehungsmaßnahmen war sehr schwierig", so die Familienpflegerin.
Kinder leben in Pflegefamilien
Den Vater habe sie teils als große Stütze erlebt, aber auch er schien an der Belastungsgrenze zu sein. Nach ihrem Einsatz, der 2010 geendet hat, kam die Familienpflegerin 2011 für zwei Aufträge in die Familie. Die Mutter schien schwer Zugang zu ihren Kindern zu finden, die damals bereits in Pflegefamilien lebten.
Das Mädchen selbst beschreibt die Familienpflegerin als sehr distanzlos. Sie spreche Leute schnell an, habe viel Zuneigung eingefordert und immer Appetit gehabt. Und "sie hat Dinge mitgehen lassen". Eine Einschätzung, die die frühere Pflegemutter teilt. "Als sie zu uns kam, hat sie am selben Abend gefragt, ob sie jetzt Mama zu mir sagen kann", so die ehemalige Pflegemutter.
Auch in der Pflegefamilie habe das Mädchen gestohlen, Regeln nicht eingehalten und Wutanfälle gehabt, bei denen es sich Wimpern, Haare und Augenbrauen ausgerissen habe. Zudem habe sie viel gelogen. Auch habe sie ein extrem sexualisiertes Verhalten gezeigt. Letztlich konnte die Pflegefamilie das Mädchen nicht behalten, da die beiden eigenen Kinder darunter gelitten haben.
Die Fortsetzung – voraussichtlich mit Urteilsspruch – ist für Montag, 8. Juni, 9 Uhr, vorgesehen.