Ravensburg / sz - Katholische Pfarrgemeinden können auch ohne Pfarrer ein vitales Gemeindeleben entfalten. Diese These vertrat der Kirchenrechtler Thomas Schüller (Münster) bei einem Vortrag in Ravensburg. Er referierte im Rahmen des Jubiläumsjahres 50 Jahre Kirchengemeinde Dreifaltigkeit in deren Gemeindesaal in der Ravensburger Weststadt.
Schüller sprach sich gegen die Zwangsfusion von Pfarrgemeinden aus, wie sie bereits in einigen katholischen Diözesen in Deutschland verbreitet sei. Als Alternative stellte er das Modell einer von beauftragten haupt- und ehrenamtlichen Laien geleiteten Gemeinde vor.
Dass diese Möglichkeit gar nicht so revolutionär und sogar vom Kirchenrecht vorgesehen ist, sorgte bei den Zuhörern für großes Echo in der anschließenden Diskussion. Der Kirchenrechtler warnte vor Großpfarreien, die "so groß sind wie mittlere Diözesen in Italien". So sei beispielsweise in Gelsenkirchen ein Pfarrer für 45000 Katholiken verantwortlich. Zum Vergleich: In Ravensburg sind in den 13 Gemeinden der drei Seelsorgeeinheiten fünf Pfarrer für 26000 Katholiken zuständig – verstärkt um Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten und Ruhestandsgeistliche.
Wenn die katholische Kirche die Pfarreien zusammenlege, gebe sie einen ihrer wichtigsten Trümpfe aus der Hand, nämlich ortsnah "bei den Menschen präsent zu sein, die auf der Suche nach Sinn und Heilung sind". Auch in den Diözesen Aachen und Limburg werden inzwischen in zahlreichen Gemeinden vom Bischof für begrenzte Amtsperioden eingesetzte Frauen und Männer mit der Gemeindeleitung im Team beauftragt. Sie könnten durch ortsnahe Seelsorge, Feier der Liturgie, Verkündigung des Evangeliums und Dienste am Nächsten der "Kirche ein Gesicht geben" und den Menschen eine "geistliche Heimat bieten.".
Priester seien in diesem Modell lediglich beauftragt, die Eucharistiefeiern zu gestalten. Das Leitungsteam übernehme auch Taufen, Trauungen und Beerdigungen.
Den Kern der Pfarreien könnten viele kleine christliche Gemeinschaften bilden. Für die "priesterlichen Mitarbeiter im Hintergrund" könne dies dann entlastend von zahlreichen Verwaltungs- und Alltagsaufgaben wirken.