Ravensburg / sz - Um auch ärmeren Menschen einen Konzert- oder Theaterbesuch zu ermöglichen, gibt die Stadt Ravensburg künftig bei eigenen Veranstaltungen, die nicht ausverkauft sind, einige Freikarten an Bedürftige ab. Sie werden auf Wunsch in einen Email-Verteiler des Amtes für Soziales und Familie aufgenommen und angeschrieben, falls Karten übrig sind. Über die Neuerung sprach Annette Vincenz mit dem Leiter des städtischen Kulturamtes, Franz Schwarzbauer.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Eintrittskarten an Bedürftige auszugeben? Machen andere Städte das auch schon?
Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass es unter denen, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen müssen, bestimmt auch einige einzelne gibt, die gerne ins Theater oder ins Konzert gehen würden, sich dieses Angebot aber aus finanziellen Gründen nicht leisten können. Andererseits sind nicht alle Veranstaltungen ausverkauft. Die Frage war und ist also, hier einen pragmatischen Ausgleich zu finden. Und in der Tat machen das andere Städte schon vor, Marburg zum Beispiel oder Osnabrück.
Gab es bislang denn noch keine Möglichkeit für Bedürftige in Ravensburg, kostenlose oder verbilligte Karten zu bekommen?
Doch, es gibt schon vereinzelt Möglichkeiten, man kann sich zum Beispiel an das Mehrgenerationenhaus wenden und seine Karte, statt sie verfallen zu lassen, weil man zu einem bestimmten Zeitpunkt verhindert ist, einem Menschen mit geringem Einkommen schenken. Aber solche Aktionen sind doch recht zufällig; das neue Projekt ist in enger Zusammenarbeit mit dem städtischen Amt für Soziales und Familie entstanden und entwickelt worden.
Wer kann die Freikarten künftig alles bekommen? Und wie funktioniert das in der Praxis?
Das Amt für Soziales und Familie erhält von uns rechtzeitig ein kleines Kontingent von Restkarten, und die Kollegen wissen, wer dafür infrage kommt, wer bedürftig ist und sogenannte Transferleistungen (wie das auf Neuhochdeutsch heißt) empfängt. Das können Hartz IV-Empfänger sein, Grundsicherungsempfänger, Bezieher von Eingliederungshilfe wegen Behinderung, Wohngeldbezieher oder auch Asylbewerber. In ihren Beratungsgesprächen weisen die Kollegen dann auf dieses neue Angebot hin.
Könnten zahlende Besucher nicht sauer werden, wenn andere Menschen Karten geschenkt bekommen?
Ich kann’s mir nicht vorstellen. Wer seine Karte regulär kauft, erhält seine Leistung – ohne Abstriche. Mit diesem Angebot wird niemandem was weggenommen. Lediglich ein paar Menschen, die sich etwas bisher nicht leisten konnten, bekommen etwas. Das ist doch eher ein Grund, sich zu freuen. Wie Sie bestimmt wissen, gibt es aktuell in der Ökonomie eine lebhafte Diskussion über den Wert des Teilens.
Wie verhindern Sie Missbrauch? Dass die verschenkten Karten nicht einfach weiterverkauft werden zum Beispiel? Oder dass immer die gleichen Menschen – ich denke da an gewisse Ravensburger Originale – kommen?
Ja, seltsam, wir müssen uns immer gleich Gedanken machen, wie Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Also: Erstens kennen die Kollegen die sogenannten Transferleistungsempfänger meist recht gut, und zweitens wird intern eine Liste geführt, wer welches Ticket erhalten hat. So dass wir (sollte es Missbrauch welcher Art auch immer geben) rasch reagieren können.
Überall liest man, dass die Stadt Ravensburg sparen muss. Nun gibt das Kulturamt ein zugegeben kleines Kartenkontingent kostenfrei an Bedürftige ab. Wie passt das zusammen?
Darauf hat uns auch das Rechnungsprüfungsamt der Stadt kritisch hingewiesen, zumal wir als kostenrechnende Einrichtung auf unsere Einnahmen achten müssen. Aber erstens ist zu bedenken, dass wir nur Karten abgeben, die bis zur Vorstellung nicht mehr verkauft werden können; die Plätze würden also leer bleiben. Und zweitens haben wir mit dem Amt für Soziales und Familie eine Lösung gefunden, wonach diese Karten über einen städtischen Sozialfonds mit fünf Euro bezuschusst werden, wir diese Karten also nicht (im klassischen Sinn) verschenken. Und schließlich, wenn ich das noch anmerken darf, sollten unsere Sparbemühungen nicht zu Lasten der Bedürftigen gehen, dass ihnen die Teilhabe am öffentlichen Leben erschwert wird.
Wann startet die Aktion, und was müssen Interessenten tun, um in den Genuss der Karten zu kommen?
Ab sofort. Am 27. Februar wird im Konzerthaus das Theaterstück "Das Versprechen" aufgeführt, nach dem Kriminalroman von Friedrich Dürrenmatt. Wir gehen davon aus, dass zwei, drei Karten auf diese Weise ausgegeben werden. Es wäre schön, wenn so zwei, drei Menschen mehr die Chance zur kulturellen Teilhabe bekommen. Was sie tun müssen? Sich im Amt für Soziales und Familie bei der Informationsstelle melden. Diese ist im Lederhaus, erster Stock, oder auch per mail an
soziales-und-familie@ravensburg.de