Ravensburg / sz - Ein paar erste Griffe auf der Gitarre, die erste Liedzeile noch nicht gesungen, da jubelt das Publikum und es ist klar, die meisten sind seine Generation, haben noch die ersten LPs aus den Siebziger Jahren im Regal. „Heute hier, morgen dort / bin kaum da, muss ich fort.“
Und damals schon, 1972, in diesem Lied der Traum, an einem Ort zu bleiben, etwas anderes zu tun. Das hat er, auch mit inzwischen 72 Jahren, nie geschafft. Noch immer einer der großen deutschen Liedermacher, mit Wecker, Degenhardt, Süverkrüp und Mey, noch immer mit starker Stimme, ohne Stargehabe, mit angenehmen Ansagen zwischen den Songs, die nie ausgeleiert klingen. Und die Zeile aus dem Hit von 1972 ist auch ein Thema dieses Abends – „mir ist klar, dass nichts bleibt, wie es war.“ In diesem Lied über den Klampfer an einem zugigen Bahnhof, mit den kaputten Zähnen, dem auch er eine Münze in den Hut wirft. „So wie der bin ich nicht mehr.“ Wo er selbst nun im bürgerlichen Stuck singt, im warmen Hotel absteigt, seit Jahren, arriviert ist, hoffentlich doch nicht zu sehr? Aber vergessen hat er nicht, dass „die Bullen mir die Zähne ausgehauen haben vor dem Springer-Hochhaus“, damals in der Studentenrevolte. Nur hatte Hannes Wader Glück, im Gegensatz zu dem auf der Straße, dass ihm eine Freundin die neuen bezahlte.
Herkunft nicht vergessen
Vergessen hat er nicht , wo er her-kommt, aus jener ländlichen Idylle hinter Bielefeld, wo er von der Autobahn noch die stattlichen Höfe sieht. Aber, starker Song - „Arier“ -, „fall nicht drauf rein / alles nur Schein“. Da wuchert der alte Irrsinn im braunen Sumpf, gegen den er seit nun 50 Jahren durch die Republik tourt. Für viele ist Hannes Wader eine Ikone. Politisch Lied, garstig Lied. Irak, Vietnam, Atomkraft, Aufrüstung. Dazu steht er noch immer und hat sich nie verkauft. Und er singt das großartige Antikriegslied von Boris Vian, „le déserteur“. Doch da ist auch, ohne diese Verbitterung eines Biermann, die Ernüchterung über die Arbeiterklasse. „Auch wenn ihr mir auf den Senkel geht / gilt euch doch meine Solidarität.“
Wader ist privater geworden und ein wenig romantisch. Das hat seinen Charme, wenn er den Schlager von Walter Andreas Schwarz zu singen wagt, den er seit seiner Jugend auswendig kann und der bei der Eurovision 1956 den 2. Preis gewann – was für ein Niveau damals! „Im Wartesaal zum großen Glück. Sie warten seit gestern auf das Glück von morgen und leben mit Wünschen von übermorgen und vergessen, es ist ja noch heute. Ach die armen Leute.“
Privates ist verständlich bei einem so Ruhelosen, wenn er von der Insel in Griechenland träumt, wo er nie war. Intimes geradezu ist von befreiender Leichtigkeit, von poetischem Spott, in seiner Auseinandersetzung mit dem Alter, im Titelsong der neuen CD „Nah dran“. „Mit der Endlichkeit mich zu befassen, wird für mich so langsam Zeit“. Ziemlich banal dagegen die Erinnerungen an seine Frauengeschichten. Müsste nicht sein.
Grandios aber die Zugabe in Berner Schwyzerdütsch, „Dr Sidi Abdel Assar vo El Hana“, ein Lied seines Freundes Mani Matter, dem besten Schweizer Liedermacher, der 1972, auf der Fahrt zu einem Konzert, tödlich verunglückte. Da versteht man die Zeile aus „Nah dran“ um so besser – „dass wir so lange leben dürfen, dass wir so lange lieben dürfen.“