Ravensburg / sz - Im Fall der 48-jährigen Frau, die sich wegen Brandstiftung vor dem Ravensburger Landgericht verantworten muss, hat der Verteidiger am Freitag die Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen beantragt: Er sei ungeeignet und befangen.
Der vom Gericht bestellte Gutachter hatte das Vorliegen einer Krankheit verneint, welche die Schuldfähigkeit der Angeklagten mindern oder gar ausschließen könnte, und ihr hohe Rückfallgefahr bescheinigt. Sie sei für die Allgemeinheit gefährlich.
Die Angeklagte war kaum aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden, als sie am 30. Dezember 2013 in Baienfurt beim Rewe-Markt Feuer legte. Ihre elektronische Fußfesseln hatte sie zuvor durchtrennt, sie wurde aber wenig später gefunden und festgenommen. Schon zum Prozessauftakt legte sie ein umfängliches Geständnis ab, sogar über Taten, die gar nicht in der Klageschrift stehen. Da es hier nicht nur um das Strafmaß geht, sondern vor allem auch darum, ob die Frau in der Psychiatrie oder in der Sicherungsverwahrung unterzubringen ist, kommt dem forensischen Gutachten in diesem Fall besondere Bedeutung zu.
Dieser Verantwortung werde der Psychiater Ernst Baljer nicht gerecht, befand Verteidiger Adam Ahmed am Freitag in seinen Anträgen. Dieser habe für seine „Metaanalyse“, wie es Baljer selbst nannte, Gutachten aus der langjährigen kriminellen Vergangenheit der Angeklagten herangezogen, die ihm nur zum Teil vollständig und nicht alle im Original vorgelegen hätten. In seinen Äußerungen habe er die Gutachterkollegen diffamiert. Ahmed bemängelt insbesondere, dass der Psychiater keine Personalakten aus dem Strafvollzug und der Sicherungsverwahrung eingesehen habe, um sich ein Bild von der Frau zu machen. Diese Einsichtnahme fordere aber der BGH in einer Grundsatzentscheidung. In diesem Fall sei dies umso wichtiger gewesen, als die Angeklagte praktisch ihr ganzes Leben im Vollzug verbracht habe.
Der Gutachter habe diffamierende und unzutreffende Behauptungen aufgestellt und sich deutlich von den Klassifikationssystemen für Krankheiten distanziert, an welchen sich die Rechtsprechung orientiere. Dass Baljer dies auch noch in einer Sitzungspause gegenüber der Presse äußere, sei ein Zeichen mangelnder Professionalität.
Baljer ist nach nach eigener Aussage seit 1978 als forensischer Psychiater tätig, hat in dieser Zeit an die 2000 Gutachten erstellt und „die doppelte Zahl supervidiert“. Er wird am nächsten Sitzungstag, dem 28. November, zu den Vorwürfen der des Strafverteidigers aus München Stellung nehmen. Danach muss das Gericht über den Antrag entscheiden und gegebenenfalls einen weiteren Gutachter bestellen.
Unbeanstandet blieb die Aussage des Brandsachverständigen vom Landeskriminalamt. Dieser schloss im einen Fall aus, dass von Mülltonnen, welche die Angeklagte in Brand gesetzt hat, Feuergefahr für ein Gebäude ausgegangen sei. Im Fall des Baienfurter Rewe-Markts sei es allerdings „problemlos möglich gewesen, das gesamte Gebäude in Brand zu setzen“. Hier seien „verheerende Schäden“ zu erwarten gewesen, hätte nicht rechtzeitig gelöscht werden können. Die Angeklagte hat gestanden, sie habe in dem Lagerschuppen beim Rewe-Markt zunächst versucht, einen Stapel Katalog anzuzünden und, als dies nicht gelingen wollte, einen gelagerten Strohballen aufgeschnitten, das Stroh verteilt und in Brand gesetzt. Am Gebäude entstand 300000 Euro Schaden; der Markt war längere Zeit geschlossen. Da die Tat gegen Mitternacht verübt wurde, bestand für Menschen keine Gefahr. Allerdings zog sich der Marktleiter eine Rauchgasvergiftung zu.